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baugrube

Platonow, Andrej; Leupold, Gabriele (Übersetzung); Lewitscharoff, Sibylle (Nachw.)
Die Baugrube
Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-42561-9

 

Am Rand einer großen Stadt heben Arbeiter eine riesige Grube aus, um ein "gemeinproletarisches Haus" zu errichten. Vom Kriegsinvaliden über den Handlanger bis zum Ingenieur bildet sich unter den freiwilligen Sklaven eine Hierarchie, die den sozialen Verhältnissen in Stalins Sowjetunion ähnelt. Mit Nastja, dem Waisenkind, das sich nach seiner bourgeoisen Mutter sehnt, ist der "neue Mensch" bereits unter ihnen. Doch am Ende wird es in der Baugrube beerdigt, dem kollektiven Grab, das sich die "Paradieserbauer" (Brodsky) geschaufelt haben.
Andrej Platonows Helden setzen alle ihre Kräfte ein, die glückliche Zukunft der Menschheit durch ihrer Hände Arbeit herbeizuführen - und werden doch von der Wucht dieser Aufgabe erdrückt: Sie versinken in Schwermut, leiden an Erschöpfung und Grübelsucht oder gehen zugrunde, weil es in der neuen Ordnung der Dinge keinen Platz mehr für sie gibt. Die Sprache kann mit dem utopischen Denken nicht Schritt halten, der Boden entgleitet ihr unter den Füßen.
Wie kein zweiter Autor lässt Platonow die Atmosphäre einer Epoche spüren, die voll war von Utopien und Prophezeiungen einer künftigen Welt. Die russische Revolution, die alle Bereiche des Lebens in diesem riesigen Land erfasste, der Kampf um einen "neuen Himmel und eine neue Erde", findet in seinem Werk einen unerhörten Ausdruck.
Auf der Grundlage der 2000 in Sankt Petersburg erschienenen, erstmals edierten gültigen Originalausgabe hat Gabriele Leupold, gerühmt für ihre Übersetzungen von Andrej Belyjs Petersburg und Warlam Schalamows Erzählungen aus Kolyma, eine neue deutsche Fassung des als unübersetzbar geltenden Buches erarbeitet.

 

 


 

 

hagard

Bärfuss, Lukas
Hagard
Wallstein
ISBN: 978-3-8353-1840-3

 

Ein Mann, eben stand er während des Feierabendgedrängels noch am Eingang eines Warenhauses, folgt aus einer Laune heraus einer Frau. Er kennt sie nicht, sieht sie auch nur von hinten, aber wie in einem Spiel sagt er sich: Geht sie dort entlang, folge ich ihr nicht weiter; geht sie in die andere Richtung, spiele ich das Spiel noch eine kleine Weile weiter. Es bedeutet ja nichts, niemand kommt zu Schaden, und der Abstand in der Menge ist so groß, dass die Frau es gar nicht bemerken wird. Eher ist es eine sportliche Aufgabe, sie in der Menge nicht zu verlieren.
In einer knappen Stunde hat Philip ohnehin einen wichtigen Termin. Aber schon fragt er sich, ob der nicht auch zu verschieben wäre, bis zur Abendverabredung bliebe ja noch etwas Zeit. Was ihn bewegt, ist erst einmal unklar. Ist der Verfolger einfach ein gelangweilter Schnösel? Ein Verrückter? Ein Verbrecher? Er scheint selbst vor etwas zu fliehen.
Etwas Bedrohliches liegt in der Luft, etwas Getriebenes. Ein atemloser Sog entsteht, in den auch der Leser gerät, je länger die Verfolgung anhält. Allen Sinneswahrnehmungen haftet etwas beunruhigend Surreales an. Die aufgerufenen Fragen über unsere Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert gewinnen eine unabweisbare Schärfe.