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Unerhörte Stimmen

Handke, Peter
Der kurze Brief zum langen Abschied
Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-39786-2  

 

Der kurze Roman aus dem Jahr 1972 beginnt verstörend wie in der Anzeige in Kleists «Die Marquise von O» mit dem kurzen Brief: "Ich bin in New York. Bitte such mich nicht, es wäre nicht schön, mich zu finden." Judith, die Frau des Ich-Erzählers, hat sich von ihm getrennt und teilt ihm gleich ihren neuen Aufenthaltsort mit.
Daraus entspinnt sich ein Katz und Maus-Spiel. Der Ich-Erzähler reist quer durch die USA, halb um Judith zu finden, halb um sie zu vergessen. Judith reist ihm voraus, und zugleich verfolgt sie ihn. Sie macht sich noch an verschiedenen Orten seiner Reise bemerkbar, einmal sogar mit einem Drohbrief.
Der Roman besteht aus zwei Teilen: "Der kurze Brief" und "Der lange Abschied", denen jeweils ein Motto aus dem Roman von Karl Moritz, «Anton Reiser», voran gestellt ist. Sie handeln vom Aufbruch und vom Vergessen durch Ortsveränderung. Der Ich-Erzähler will Judith vergessen und sich von ihr lösen. In Kalifornien treffen sich die beiden beim Filmregisseur John Ford. Judith erzählt ihm die Geschichte des Paares, und damit sind die beiden endlich bereit, friedlich auseinanderzugehen.
Nahe Philadelphia besucht der Ich-Erzähler Claire Madison, eine frühere Bekanntschaft, und reist mit ihr und deren Kind Benedictine (nicht seines!) zu einem Ehepaar nahe St. Louis. Dieses Ehepaar wird als friedvolles, idealisiertes Gegenstück zu Judith und dem Ich-Erzähler dargestellt.

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Hunger

Heller, Peter
Der Fluss
Nagel & Kimche
ISBN: 978-3-312-01134-6

 

Die beiden Studienfreunde suchen auf einem Fluss bei einer mehrwöchigen Kanutour nach Ursprünglichkeit und Ruhe und ein bisschen Nervenkitzel. Sie haben die Köpfe voll von den Abenteuergeschichten der Weltliteratur, in denen Männer sich den Widrigkeiten der Natur stellen und von dieser Begegnung als andere, manchmal sogar bessere Menschen zurückkehren. Sie lieben Hemingways Nick-Adams-Stories ebenso wie Mark Twains "Huckleberry Finn", die Western von Louis L'Amour und natürlich Joseph Conrads Flussfahrt ins "Herz der Finsternis". Wynn und Jack sind zwei junge Männer, die seit Studienbeginn eine innige Freundschaft verbindet. Sie wollen in den Semesterferien über mehrere Wochen mit dem Kanu auf dem Maskwa Fluss in Kanada durch die Wildnis paddeln. Beide sind versierte Outdoor-Experten und haben große Freude daran, weitab von der Zivilisation die Natur zu erleben. Wie gut sie miteinander harmonieren, erfahren wir schon auf den ersten Seiten, doch die Tiefe und Poesie ihrer Freundschaft erschließt sich erst im Verlauf des Romans.
Obwohl Heller uns schon von Beginn an mit seinen eindrücklichen Naturbeschreibungen in die Geschichte zieht und wir begeistert zu Wynn und Jack ins Kanu steigen, wird ziemlich schnell klar, dass es in diesem Roman nicht um ein idyllisches Männerabenteuer geht. Es dauert nicht lange, da schiebt sich die erste dunkle Wolke vor die Sonne, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Weil Jack Brandgeruch wittert, steigt er auf einen Baum und erkennt in der Ferne einen Waldbrand von ungeheurem Ausmaß, der sich unerbittlich auf die beiden zubewegt.